Anfang 2021 hat die Living Bauhaus Kunststiftung SbR unter Genehmigung der Berliner Stiftungsaufsicht
ihren Hauptsitz von Berlin in den denkmalgeschützten Landsitz Bärenklau (Schenkendöbern) verlegt.
Das Gesamtensemble wurde durch die rennomierten Berliner Architekten Breslauer & Salinger
1928/29 entworfenund unter deren Ägide im Auftrag des Gubener Tuchfabrikanten
Ernst C. Lehmann-Bärenklau erbaut.
Bis heute ist unklar, woher der Name Bärenklau, Berklau/Berklawa/Barklawa
(niederlausitz-wendisch-deutsch), ursprünglich stammt.
Nach einer niederlausitzschen Volkssage gab es dort,
wo heute das Landhaus liegt, einst einen Inselberg
und einen Winzerberg (oder Bärberg).
Ein Bär war in die Weintrauben auf dem Berg gegangen.
Der Winzer sah dies und sprang dem fressenden Bären wütend in sein Genick;
beide rangen miteinander und man fand beide auf dem Berg tot vor.
Wie der Name auch wirklich entstanden sein mag, fest steht,
dass er märchenhaft klingt.
Und märchenhaft ist auch das Schloss.
Anders als man zunächst meinen könnte handelt es sich
bei dem heutigen Sitz der Living Bauhaus Kunststiftung jedoch nicht um ein barockes Jagschloss.
Das Gebäude ist vielmehr während der Zeit der Weimarer Republik als
Landhaus und Familiensitz mit unter Zuhilfenahme der damals modernsten Technik erbaut worden.
Nach dem Krieg und der Bodenreform wurde das elegante Anwesen vom FDGB
zu einem Genesungsheim umfunktioniert.
Nach der Wiedervereinigung kaufte es ein Gubener Fabrikant.
All' die Jahre und historischen Wechsel hat das Gebäude
in einem erstaunlich guten Zustand überstanden,
sodass bei den Umbau- und Sanierungsarbeiten viele historische Relikte in und
am Gebäude mit quasi-archäologischer Präzision freigelegt werden konnten und verschiedene Zeitebenen zutage förderten.
Zudem erzählen die Archivalien im Brandenburgischen Landeshauptarchiv
von der wechselvollen Geschichte des Hauses.
Heute hat sich der Name „Schloss“ als Bezeichnung für das Landhaus
längst im Volksgebrauch durchgesetzt
und er wird auch von der Living Bauhaus Kunststiftung in voller Kenntnis
dieses Anachronismus gebraucht.
Denn gerade im Unzeitgemäßen dieser Bezeichnung, so scheint es,
liegt ein wesentliches Charakteristikum des Hauses;
es war und ist Unzeitgemäß, lebt von Anachronismen
und historischen Brüchen, wirft Fragen auf,
scheint aus seiner Zeit gefallen zu sein und ist
gleichwohl nur in seiner Zeit zu begreifen.
Der genius loci
In dieser Dialektik einer „Zeitkapsel“ liegt der Schlüssel, der die Tür zur Energie des Ortes öffnet; diese spürt man,
atmet man; es ist die Energie eines Ortes, an dem sich Geschichte, Gegenwart und Zukunft bündeln.
Wir hoffen, dass die Energie dieses Ortes auch eine ist, die ausreichend Raum für kreatives Schaffen bietet.
Denn die vorgefundenen prunkvollen Zimmer,
die einst eine legendäre Kunstsammlung von musealem Rang beherbergten,
zeigen nun mit der Sammlung der LBKS eine ambitionierte Privatsammlung der Gegenwart.
Das Spiel mit den verschiedenen Zeitebenen, die sich in Bärenklau verbinden,
soll neue Ideen und künftige Projekte und Kooperationen ermöglichen;
Schloss Bärenklau kann und soll so ein historisch aufgeladener Ort der Kreativität sein,
der sich als Zentrum für künstlerischen Austausch in der Peripherie begreift.
Neben Stipendien für junge Künstler werden Konzerte und Ausstellungen
unter dem Dach des Hauses stattfinden.
Neues kann und soll also entstehen -
das allerdings nicht, ohne die Geschichte des Ortes, den genius loci, im Blick zu behalten
und diese zu erzählen, zu zeigen und mit ihr und durch sie zu arbeiten.
Kirstin Buchinger